Fast wie im „Herr der Ringe"
Das Fantasy-Land „Condra" lag an der Grillhütte in Mützenich
Bericht aus den "Eifeler Nachrichten"
„Du denkst bestimmt, wir sind total verrückt", meint eine mit Kettenhemd und Schwert ausgerüstete, mittelalterlich aussehende junge Dame, die mit einigen anderen Widerständlern an der Mützenicher Grillhütte gegen die Besetzung des Landes „Condra" durch die bösen Nekaner kämpft. „Nekaner ?... Condra ?... Mittelalter ?... und das alles im April des Jahres 2001 und nicht etwa vor gut 1000 Jahren? Der nicht eingeweihte Rollenspieler steht zunächst einmal vor einer schier unfassbaren Flut von fremd anmutenden Gegebenheiten. Aber bei näherer Betrachtung ist alles halb so schlimm.
Keine Angst: Bei den Kämpfen im Land „Condra" sind Äxte und Schwerter aus Schaumstoff.
Foto: J. Tambornino
Mützenich. Die Nekaner sind nur für einen Nachmittag „böse", das fiktive Land „Condra" existiert nur auf dem Papier, das Schwert besteht aus Schaumstoff und die junge Widerständlerin heißt in der realen Welt Néomi Havinga und ist Mitglied des „Vereines für lebendiges Rollenspiel – Condra“ , der seit vergangenem Herbst existiert und mittlerweile 23 Mitglieder aus Eifel und Aachen zählt. Schon seit sieben Jahren beschäftigen sich einige Mitglieder des Vereins mit so genannten „Pen and Paper"-Rollenspielen, bei dem sich jeder Spieler in einen fiktiven Charakter hinein projiziert - etwa in einen Abenteurer, Kämpfer, Zauberer, eine Elfe, einen Goblin oder wie sie alle heißen - und gemeinsam mit den anderen Spielern wird eine zuvor ausgedachte oder vom Spielleiter bestimmte Story durchlebt.
Vor drei Jahren hörten die Rollenspieler von so genannten LARPs (live action role play), bei denen die Abenteuer nicht nur auf dem Papier, sondern in einer realen Umgebung ausgetragen werden. Man nahm an verschiedenen LARPs teil, und die Eifeler Spieler waren so begeistert, dass sie vor gut anderthalb Jahren ihr erstes eigenes LARP organisierten. Weitere Veranstaltungen folgten; so zum Beispiel auch ein dreitägiges Rollenspiel am Jugendzeltplatz Dreistegen in Monschau - und inzwischen können die Spieler schon auf einen beachtlichen Fundus an selbst erstellter Ausrüstung zurückgreifen.
„Du kannst, was du kannst", heißt die Devise beim lebendigen Rollenspiel, wie der stumme Krieger Mandolf, der in der realen Welt als Lars Raasch, Vorsitzender des Vereines „Condra", bekannt ist, erklärt. „Früher war ich mal Stadtwächter, dann habe ich aber aus persönlichen Gründen ein Schweigegelübde abgelegt. Im Kampf habe ich irgendwie ziemlich wenig Glück, so dass ich vor einiger Zeit fast gestorben wäre", verdeutlicht Raasch die Rolle, in die er etwa ein bis zweimal pro Monat schlüpft. Bei den LARPs soll alles so real wie möglich dargestellt werden, für den Zeitraum eines Nachmittags oder Abends leben die Spieler völlig in ihrer Rolle.
„Manche Dinge kann man dennoch einfach nicht darstellen", erklärt Raasch, der am vergangenen Wochenende allerdings nicht seine Rolle als Mandolf spielen konnte, da er als Spielleitung für den reibungslosen Ablauf und die Organisation von Überraschungen im Spiel verantwortlich war. Magie, Kampf, Gift oder Fallen lassen sich beispielsweise nur sehr schlecht darstellen. Eine im Wald versteckte Falle wird so durch einen in Folie eingeschweißten Zettel dargestellt: „Sobald jemand das liest, muss er liegen bleiben, bis jemand kommt und ihn befreit", berichtet Raasch. Der Kampf läuft nach ähnlichen Regeln ab.
Alle Rüstungsgegenstände und sonstigen Eigenschaften eines Charakters werden nach einem Punktesystem summiert; jedesmal wenn der Spieler im Kampf mit den Schaumstoffwaffen getroffen wird, wird ihm ein Punkt abgezogen. Die Story, die sich die Spielleitung schon seit etwa zwei Monaten in mühseliger Kleinarbeit ausgedacht hatte, hielt einige Überraschungen für die etwa 80 angemeldeten Rollenspieler aus ganz NRW bereit. Kurz nach Beginn des LARPs an der Grillhütte in Mützenich lag ein mysteriöser Fremder - „Out Time", also im echten Leben, als Stephan Vargas, Mitglied bei „Condra", bekannt - vor der „Kneipe" und starb an einer (fiktiven) Krankheit. Damit diese sich nicht wie ein Lauffeuer ausbreitet, mussten die Spieler in einer durch drei Rätsel bewachten Truhe ein Rezept für ein Gegenmittel finden. „Die Beschäftigung mit dem Mittelalter als literarische Epoche ist bei uns sehr häufig", erklärt Raasch, so sei bei den LARPs eigentlich immer jemand dabei, der des Runenlesens mächtig sei. „Manche Leute beherrschen sogar die fiktive, von Tolkien im Roman ,Der Herr der Ringe' verwendete Elfensprache", verdeutlicht der Vorsitzende, wie viel Aufwand manche Leute in ihre Rolle stecken. (jt)