Der Leuchtturmwächter
Eine Woche war vergangen seit der Narr den sicheren Hafen verlassen hatte, um auf seine große Fahrt zu gehen. Alleine mit sich und dem Meer, bereit die Prüfung der einen Tochter zu begehen. Bereit seinen Mut und seine Stärker im Kampf gegen die Kraft des Wasser zu beweisen. Doch sollte dies nicht die eigentliche Prüfung sein.
Eine Woche war vergangen seit der Narr in See gestochen war. Und nun trieb er auf dem offenen Meer, ohne auch nur den geringsten Luftzug zu spüren. Lange hatte er gewartet, immer wieder war er ins Gebet gegangen. Und er wusste dass dies eine Prüfung seiner Geduld würde.
Immer wieder kamen ihm Gedanken von den Dingen die er in den letzten Monden erlebt hatte. Die Ereignisse die sein Leben, und die seiner neuen Freunde verändert hatten. All das was er gelernt und erfahren hatte wusste er nun zu verstehen. Doch war er verwundert darüber, warum er so lange einen anderen Weg gegangen war.
Wie die Tage zuvor verging auch dieser unerträglich langsam, doch irgendwann erfüllten Mond und Sterne das Dach unter dem der Narr seine Zeit verbrachte. Er legte sich zum schlafen, ohne ein Gefühl der Angst, den wider des Grausamen was er gesehen hatte war seine Seele im Frieden.
In dieser Nacht aber wurde der Frieden gebrochen. Als der Narr in Panik die Augen aufriss, da saß er an einem Tisch aus dunklem Holz und starrte in die Fratze einer unmenschlichen Gestalt. In seiner Hand hielt er eine Karte mit dem Bild eines Weisen darauf und in seinen Ohren brannte eine Stimme wie Feuer. Er spürte den Drang nach Luft in seiner Kehle. Um sich herum sah er helfende Hände, die ihn nicht erreichen konnten. Das letzte was er wahrnahm war eine große Gestalt die durch eine Feste ging, vorbei an des Narren Hand die er nicht greifen wollte um ihm zu helfen.
Als der Narr erwachte, war er erfüllt vom Hass und Zorn. Doch es war nicht wie früher. Er hatte nicht das verlangen zu töten. Ein neuer Tag begann, und mit ihm kam der lang erbetete Wind. Meile um Meile segelte der Narr seiner Heimat entgegen. Und gegen Abend sah er in der Ferne ein helles Licht in Mitten der See.
Als er dem Leuchtrum näher kam, war er verwundert, denn nirgends war ein Stück lang zu sehen, das der Turm hätte markieren können. Nur der große Fels auf dem der aus schwarzem Stein erbaute Leuchtturm stand war zu erkennen.
Neugierig über diese Erscheinung legte er an dem kleinen Steg, der am Fuße des Felsen Hafen eines kleinen Ruderbootes war, an. Und so ging der Narr zur Eingangstür des Turms.
Nachdem er mehrmals geklopft hatte öffnete er die unverschlossene, vom Wetter gegerbte Holztür. Im Inneren war es kühl und düster. Sein Blick fiel erst in den kleinen Vorraum, in
dem eine paar zerbrochene Eichenfässer standen, und von dem aus eine steile Treppe nach oben führte.
Er hatte alle Mühe die schmalen rutschigen Stufen hinauf zu steigen bis er die erste Ebene erreicht hatte. Doch der Blick ins Innere des kleinen Raumes verhieß nichts Neues. Wieder waren es nur zerbrochene Fässer die er sehen konnte.
So ging er von einer Ebene zur nächsten, ohne dabei etwas von Interesse zu finden.
Als der Narr ein weiteres Mal eine Treppe empor stieg war er sich sicher schon fast auf Höhe der Leuchtflamme sein zu müssen. Die Stufen wurden zunehmend steiler und enger. Und am Ende dieser Treppe sah er eine schmale Holztür.
Es dauerte einen kurzen Augenblick in dem der Narr überlegte wie er vorgehen solle. Dann klopfte er an die Tür und seine Hand griff an die Klinke um diese zu drücken.
Dann zuckte er zusammen, denn zwischen den Geräuschen der Brandung vernahm er eine klare Stimme.
Nachdem er die Türe vollständig geöffnet hatte blickte er in einen kleinen runden Raum. Es dauerte einen Moment bis er Verstand was er sah, denn allzu seltsam schien dieses Bild an diesem Ort.
Der kleine runde Raum strahlte eine gemütliche Wärme aus, die von einem Gusseisernen Ofen, der an der Seite stand, kam. Direkt vor sich erblickte der Narr einen massiven Schreibtisch, der mit Pergamenten und Federkielen voll lag. Davor und dahinter standen zwei große gepolsterte Stühle.
Ein schmales langes Bett stand an der Seite. Und aus dem Bettzeug stießen einzelne Strohhalme heraus. Die Wand des Raumes war durch und durch mit Regalen voller Bücher verdeckt. Nur an einer Stelle konnte man durch ein großes Fenster hinaus auf das weite Meer schauen.
Nirgendwo konnte der Narr jemanden sehen der hätte zu ihm sprechen können.
"Hallo? Ist hier jemand?"
Doch der Narr konnte nicht mehr zu Ende sprechen. Mitten im Satz wurde er von einer Stimme unterbrochen die durch das offene Fenster zu ihm herein drang.
Verwundert und angespannt wartete der Narr, die Hand an seinem Kurzschwert, bereit sich zu verteidigen gegen die Person oder das Wesen, das zu ihm gesprochen hatte.
Doch seine Bedenken verschwanden schnell und an ihre Stelle trat Verwunderung als er den einen schmalen grünen Ork durch das Fenster herein klettern sah.
Gekleidet in eine schwarze Lederhose und eine lange violette Tunika sah dieser eher wie ein verwachsener Mensch als wie ein Ork aus.
Während der Narr noch nach passenden Worten suchte. Kam der Ork mit einer Kanne, die er vom Ofen geholt hatte, und zwei Tassen auf ihn zu und wies im den Platz sich gegenüber am Schreibtisch.
"Ihr trinkt doch sicherlich einen Tee mit mir? Ich möchte mich vorstellen, Norak Kor`naruk, Leuchtturmwächter des großen Meeres."
Nach seinen Worten verbeugte sich der Ork tief und goss dem Narr eine Tasse Tee ein.
"Erzählt was euch zu mir führt. Es ist lange her seit ich das letzte malBesuch hatte."
Noch immer stand dem Narr die Verwunderung ins Gesicht geschrieben, und nur langsam begann er zu sprechen.
"Verzeiht dass ich so offen spreche, aber es gibt keinen beabsichtigten Grund warum ich hier bin. Ich war auf dem Weg zurück in meine Heimat. Ich das Licht eures Turms und dachte ich hätte die Küste schon erreicht. Doch habe ich auch von hier oben kein Land sehen können."
Gespannt verfolgte der Ork was der Narr zu sagen hatte, dann begann er zu lachen.
"Ihr irrt wenn Ihr denkt, dass dieser Leuchtturm euch den Weg zurück in eure Heimat zeigen kann. Dieser Turm wurde vor langer Zeit hier ins Meer gebaut um all denen ein Licht auf ihrem Weg zu sein, die nicht wissen wohin sie wollen."
Da lachte der Narr laut auf.
"Nun ich weiß genau wohin ich will, ich schätze dass ich mich wohl ein wenig verfahren habe."
Ein mildes Lächeln schlich sich auf die Gesichtszüge des Orken.
"Gut wenn das so ist, dann hoffe ich das euch zumindest mein Tee schmeckt."
Der Narr entschuldigte sich und versicherte dass er den Leuchtturmwächter nicht verärgern wolle. Dieser fühlte sich nicht gekränkt und bat den Narr ihm Neuigkeiten aus der Welt zu erzählen, von denen er dann diesem Ort so wenig erführe.
Skeptisch schaute der Narr dem Ork ins Gesicht, sich immer wieder fragend ob es sich wirklich um einen jener Rassen handelt die er früher so verabscheut hatte. Doch die Wärme des Tees beruhigte ihn schnell, und er begann Geschichten zu erzählen. Geschichten dessen was er in letzter Zeit erlebt hat. Die ganze Zeit über lauschte Norak interessiert. Mit keinem Wort störte er die Erzählungen. Nur seine Mimik verriet ein wenig, wie ihm die einzelnen Geschichten gefielen.
"Zum Schluss möchte ich euch noch meine Lieblingsgeschichte vorlesen. Es handelt sich um die Geschichte Grunathas, einer Tochter des ewigen Gottdrachen Hydracor."
Und während der Narr die Geschichte aus dem Buche Hylträa vorlass schloss der Ork die Augen und begann mit einem ganz leisen Summen.
"…und Grunatha blickte mit Freuden auf Ihr neues Menschenkind.
Es ist lange her seit ich diese Geschichte das letzte Mal gehört habe. Ich danke euch. Diese Geschichte hat mir sehr viel Freude bereitet.
Nun möchte ich eure Zeit nicht weiter in Anspruch nehmen. Aber wenn ihr wollt dann erzähle ich euch auch eine Geschichte. Leider wird sie euch nicht froh stimmen, aber sie wird euch, so denke ich, auch nicht traurig machen. Ich werdet lange darüber nachdenken müssen. Und zu meinem Bedauern kann ich sie nur einmal erzählen, danach muss ich wieder an meine Arbeit.
Wollte ihr sie hören? Sagt nicht leichtfertig ja. Denn so wie eure Geschichte viele Geister bewegt und verändert hat, so wird euch vielleicht auch meine Geschichte bewegen und verändern."
Tief in seinen Gedanken versunken schaute der Narr auf die Lehne des Stuhls. Wie konnte dieser Ork nur solche Worte finden? Sie berühren ihn, sie verführten ihn zum nachdenken, und sie machten ihm Angst.
"Wie lautet der Name der Geschichte?
Wie Ihr wollt!
Wie ich es will?
Ja!"
Verwirrt blickte der Narr auf.
„Dann soll sie die Geschichte vom Leuchtturmwächter heißen.“
Vergnügt blickte Norak zum Narr.
"Ein passender Name!
Viele hundert Jahre ist es her, da Stand dieser Turm in den größten Stürmen des Meeres. Denn der Ewige war rasend vor Wut.
Die Mächte des Feuers griffen nach der Welt und drängten nach der alleinigen Herrschaft, überall dort wo Land und nicht Wasser war. In dieser Zeit kam ein Mann an diesen Ort. Vertrieben aus seiner Heimat wusste er nicht wohin er sollte. Und so saß er wie du, junger Freund, hier und trank Tee. Er hörte die Geschichte eines Volkes das sein Schicksal teilen würde, wenn niemand ihm ein Leuchtturm im starken Sturm des Lebens sei. Und so fasste er neuen Mut durch die Verantwortung die er aus dieser Geschichte genommen hat. Er zog aus und wurde ein Leuchtturm für dieses Volk, er zeigte ihnen den Weg in ihre neue Heimat. Und festigte sie im Glauben.
Doch es kam die Zeit da er müde wurde, und so legte er sich nieder zum Schlaf. Um immer dann zu erwachen, wenn sein Licht gebraucht würde.
Über die Jahre kamen immer weniger zu ihm, um Hilfe zu erbitten. Und so vergaßen viele den Weg zu ihm.
So schlief er friedlich, doch seine Vergangenheit sollte ihn einholen. Das Land welches seine Heimat geworden war, wurde nun Bedroht.
In dieser Zeit fanden einige den Weg zu ihm. Er konnte ihnen zur Seite stehen, sie leiten wie er es früher getan hatte.
Und es stellte sich heraus dass einer unter ihnen für ihn wie ein Bruder war. Und wie es unter Brüdern damals üblich war, reichten sie nicht die Hände, sondern ein Jeder gab einen Teil von sich.
Danach fiel der Bruder nicht wieder in seinen schlaf. Er wusste dass es Zeit für ihn war in die Ewigen Fluten einzugehen. Doch bevor dies geschah kam er hierhin zurück. An den Ort, an dem seine Reise begonnen hatte…
Mein Freund! Wir alle sind die Kinder Hydracors. Doch nur wenige von uns tragen sein Zeichen. Du hast diesen Weg gewählt und ich will dich auf diesem Weg unterstützen. Nimm dieses Buch, das du einst deinem Bruder gabst. Ich habe es mit den sieben Siegeln der Töchter belegt. Breche sie nacheinander und jedes wird eine Prüfung für dich bereitstellen. Wenn du alle sieben Prüfungen bestehst, und somit alle sieben Zeichen der Töchter trägst, wirst du deinem Weg näher kommen."
Fassungslos, mit offenem Mund starrte der Narr das Buch an das vor ihm auf dem Tisch lag.
Es verging eine lange Zeit des Schweigens, in der er nur langsam wieder zu Worten kam.
"Willst du diesen Weg nicht weiter gehen, weil du Angst oder sonst einen Zweifel hast, dann lass das Buch einfach liegen, und ich wünsche dir viel Erfolg bei dem was du tun wirst. Nimmst du es aber werde ich bei dir sein, immer dann wenn du ein Licht in der Dunkelheit suchst."
Daraufhin verließ Norak das Zimmer Fenster.
Es vergingen Sekunden, Minuten, Stunden bis auch er Narr ich erhob. Langsam schritt er auf die Tür zu, den Blick steif und leer. Er öffnete die Tür und ging auf die Treppe, dann drehte er um. Er ging zurück zum Tisch und griff das Buch. "Wind und Wasser, Du erfüllst meinen Weg. Sturm und Flut, Dein Schutz sei mit mir. Wind und Wasser, Du beflügelst meine Seele.
Sturm und Flut, Deinen Weg will ich gehen."
Dann verließ er den Leuchtturm, stieg in sein Boot und setzte die Segel.
Als er ein gutes Stück vom Turm entfernt war blickte er zurück. Auf dem kleinen Steg stand Norak der ihm nachwinkte. „Vergiss seine Worte nicht, der Glaube ist stark im Menschen!“