Die Geschichte eines Fischers ... als Condra besetzt wurde

Kategorie: Sagen und Legenden Veröffentlicht: Mittwoch, 27. Januar 2010 Geschrieben von unbekannt

Die Augen des Alten schienen schon lange keinen klaren Blick mehr getan zu haben; doch als er mich plötzlich und unvermittelt direkt ansah, war da ein Glanz und eine Freude, die ich nur in den Augen von Kindern gesehen hatte. Seine Stimme kratzte in seiner Kehle, sie war diesen Weg wohl lange nicht mehr gegangen.

''Nun, mein junger Freund du bist neu hier, nicht???
Das sieht man dir an. Du möchtest gerne wissen, wo du bist und warum dieses Land so ist, wie du es kennen gelernt hast. Nun, setz dich zu mir ans Feuer. Meine Knochen werden kalt, wenn ich nicht am Feuer sitze. Und bring mir was zu trinken. Etwas von dem nekanischen Wein. Das können sie gut, die Nekaner. Wein machen. Weißt du, in der Zeit bevor die
Nekaner hier waren, da gab es auch Wein; aber ein saurer, bitterer Wein war das. Doch, doch ihre Kelter sind besser als die unseren. Es ist lange schon her, dass ich das erste mal nekanischen Wein zu trinken hatte. Vor etwa 30 Jahren war das. Ich war schon etwas älter als du jetzt und verdingte mich als Fischer in Trallum. Eines Tages waren Segel am
Horizont. Viele Segel. Schwarzgelbe Segel. Von großen Schiffen. Eines dieser Schiffe war allein größer als die größten Häuser, die es im ganzen Ort gab. Die Fischer verstanden nicht, wie etwas so riesiges überhaupt schwimmen konnte. Es dauerte nicht lange, bis die Schiffe in der Bucht vor Anker lagen. Kleinere Boote, immer noch so groß wie unsere größten
Schifferboote, wurden zu Wasser gelassen und ruderten auf uns zu. Als sie auf uns zu kamen, wurden einige unruhig. Keiner von uns wusste, wer diese Leute waren, ob es Piraten waren oder Eroberer. Der Erste, der von ihnen an Land ging, war ein junger Mann. Mit stolzem Blick und einer überschäumenden Freude, die man ihm in jeder Faser ansehen konnte, sprang
er von Bord, nachdem die Matrosen am Pier festgemacht hatten.
'Ich grüße euch!' sprach er. 'Mein Name ist Aragor und ich bringe euch beste Geschenke aus dem Land eurer Ahnen, dem Reich Alinos.' Niemand verstand, was diese Worte bedeuten sollten; auf einen Wink von ihm hievten vier der Matrosen ein schweres Fass auf den Pier, dies aber verstanden die Fischer nur zu gut. 'Dies ist ein großer und wichtiger Tag. Darum lasst uns feiern.'

Mit diesen Worten hob er die kleine Handaxt, die an seinem Gürtel gehangen hatte. 'Bester Rotwein von den Hängen von Alinos!' Er ließ die Klinge heruntersausen und öffnete das Fass, dass die Holzsplitter nur so flogen. Die anfängliche Zurückhaltung der Fischer verflog mit
jedem Humpen dieses Weines, der ausgeschenkt wurde. Ich sage dir, dieser Wein hätte sie ihre eigene Schwiegermutter umarmen lassen, so süß und voll im Geschmack Die anderen Boote waren nun auch angelandet und brachte Brot, Fisch, Fleisch und vieles mehr in großen Mengen.

Irgendwann verschwand Aragor mit dem Vorsteher des Dorfes. Die nächsten Tage waren ein großes Fest für die Menschen aus Trallum Es wurde getrunken und gegessen, gesungen und getanzt, sich geschlagen und wieder getrunken. Die Matrosen waren inzwischen an Land gegangen und nach ein paar ordentlichen Schlägereien verstanden sich die Fischer eigentlich
ganz gut den Fremden. Es waren Männer von gleicher Art. Sie alle lebten vom Meer und vom Wein und das verband sie, auch wenn sie aus anderen Ländern stammten. Wir hörten nur am Rande, das Aragor nach Tharemis aufgebrochen war, um vor dem Rat zu sprechen. Doch als er zurückkehrte, änderte sich einiges.

Es war später Nachmittag, als er und seine Begleiter zurückkehrten. Ich weiß es so genau, weil ich grade aus dem Fluss stieg, um meinen Kater los zu werden, als sie angeritten kamen. Die übersprudelnde Freude des Mannes war einem anderen Gefühl gewichen. Er wirkte jetzt sehr kalt. Zwar gut gelaunt aber eher unterhalten als wirklich freudig. Sein Blick war der eines Mannes, der grade plant, seine Schwiegermutter ins Meer zu werfen.

Er gab ein paar kurze Befehle an seine Begleiter, die daraufhin sofort ausschwärmten, um alle Matrosen zusammen zu holen. Keine Stunde später war die Heiterkeit des Festes wie weggefegt. Die Matrosen standen in Reihe am Pier, während Aragor vor ihnen auf seinem Pferd saß. Einige der Matrosen waren noch voll wie einer nur sein kann, aber auch diese standen mit in Reihe. Da habe ich das erste Mal erlebt, wie sehr alle Nekaner Soldaten im Herzen sind. Keiner von ihnen hätte es gewagt, vor seinem Kapitän, seinem General sich eine Blöße zu geben. Von den Fischern war gekommen, was grad noch nüchtern genug war, um den Weg zum Hafen zu finden. Wir staunten über den Anblick.

'Matrosen,' prach Aragor 'wir sind nach langer Fahrt am Ziel angelangt. Nun ist es an uns, unsere Aufgabe zu erfüllen. Wir werden die Dracis, die Pyranis und die Loxis an Land holen und aus ihrem Holz einen Posten errichten. Die anderen Schiffe werden gelöscht und mit minimaler Besatzung zurückgeschickt, um von unserem Erfolg zu berichten und mit Nachschub, und Handelswaren hierher zurückzukehren. Das wäre dann alles. Abtreten und an die Arbeit'.

So kurz und präzise wie seine Anweisungen waren auch die Arbeiten der Matrosen in den nächsten Tagen. Es war mehr als beeindruckend, zu sehen, wie diese riesigen Schiffe an Land gezerrt wurden und ihnen die Planken vom Rumpf gerissen wurden. Die Matrosen bauten ein Fort. Überhaupt glaube ich, dass alles, was die Nekaner bauen, immer irgendwie wie eine Befestigungsanlange aussieht.

Etwa einen Monat später stachen die übrigen Schiffe wieder in See, doch zuvor wurde ihre gesamte Ladung in das neue Fort geschafft. Und was sie nicht alles an Ladung hatten: Kleider, Stoffe, Gewürze, Werkzeuge, Waffen, Schmiedwerk, sogar ein paar Fuhrwerke mit Ochsen waren aus den Schiffsbäuchen herausgeholt worden. Sie hatten wirklich an alles gedacht. Binnen weniger Wochen konnten wir zusehen, wie aus den Matrosen Handwerker,
Fuhrleute und vor allen Dingen Soldaten wurden.

Sobald die Fuhrwerke von Bord gebracht worden waren, wurden sie beladen und brachen schon am nächsten Morgen mit einem ganzen Trupp Soldaten zur Bewachung auf in Richtung Tharemis.

Die Jungs hatten wirklich keine Zeit zu verlieren. So ging es weiter bis ins nächste Frühjahr. Als zum zweiten Mal die schwarzgelben Flaggen am Horizont erschienen, hatten unsere neuen Nachbarn schon einen beträchtlichen Teil des Waldes, der hinter Trallum lag, gerodet und Felder darauf angelegt. Das war das erste Mal, dass es Schwierigkeiten mit den Nekanern gab. Trallum war nie so groß gewesen, dass wir Felder gebraucht hätten in der Größe, wie die Nekaner sie jetzt anlegten. Die riesigen Mengen Holz, die sie schlugen, verwendeten sie, um einen Hafen zu bauen. Aber was das für ein Hafen war! Zwar reichte ihre Kraft nur für einen einzigen Steg, aber dieser Steg war größer als der gesamte Fischerhafen, den Trallum brauchte. Er stach tief hinaus ins tiefe Blau der Bucht. Viele lachten die Nekaner aus ob dieses Bauwerks. »Was wollt ihr hier hinbringen? Ein ganzes Seeungeheuer? Warum baut ihr so groß?«

Ich ahnte damals schon, dass das alles schlimm enden würde.
Ich sollte Recht bekommen.

Als der Nachschub anlandete, trauten wir unseren Augen nicht. Waren wir schon in Ehrfurcht erstarrt, als wir ihre ersten Schiffe sahen, so übertraf das, was sich nun vor uns abspielte, alles, was wir uns je vorstellen konnten. Diejenigen, die gespottet hatten, lachten nicht mehr, als sie sahen, dass sie recht hatten. Diese Schiffe waren die reinsten Ungeheuer. Hatten uns die Boote im letzten Jahr beeindruckt durch ihre Größe, machten uns diese hier Angst. Das waren keine Transportschiffe, das waren Kriegsschiffe. Und noch etwas war anders. Es waren nicht die Matrosen, die von Bord kamen, angeführt von ihrem Kapitän. Die Männer, die nun als Erstes von Bord gingen waren Soldaten durch und durch.

Aragor trat vor um die Neuankömmlinge zu begrüßen. Doch sein Gesicht zeigte keine Freude über das, was er sah. Im Gegenteil, er schien sich zu fürchten vor dem, was dort in seinem Hafen lag. Der Vorsteher unseres Dorfes stand hinter ihm. Beide waren im letzten Jahr fast zu Freunden geworden. Auch er war entsetzt über den Anblick, der sich ihm bot.

Die Soldaten, die von Bord gekommen waren, schoben alle Schaulustigen vom Pier zurück Richtung Land. Eine Planke wurde vom Schiff herüber geschoben.

Zwölf Schwergerüstete marschierten über sie auf den Steg. Die schweren Metall-Panzer schienen irgendwie nicht recht hierhin zu passen. Kein Matrose hätte jemals so etwas angezogen, schon gar nicht auf offener See von der die Schiffe ja grade erst kamen. Dennoch - oder grade deshalb - wirkten diese äußerst bedrohlich, als sie im Gleichschritt auf uns zu kamen, einen Schritt auseinander taten und mit einem schweren dumpfen Knall ihre Schilde bei Fuß auf das Holz hämmerten. Sie standen Spalier für das was da kommen würde.

Eine einzelne hoch gewachsene, hagere Person erschien hinter den Gerüsteten. Ihre langen Haare waren streng zurück gebunden. Das Gesicht wurde verdeckt durch eine Goldene Maske. Sie war völlig ausdruckslos. Selbst die Augen schienen genauso tot zu sein wie der zu einem leichten Lächeln erstarrte Mund. Die feuerroten Schulterplatten trugen seltsame Zeichen, welche in Gold auf das Leder der Platten eingeprägt worden waren. Der Körper der Gestalt war verborgen durch eine lange rote Robe. Am Gürtel, der die Robe hielt, schwang ein Schwert.

Gemessenen Schrittes trat er durch die Gasse der Soldaten und kam auf Aragor zu. Jeder Schritt, den er tat, schien Aragor direkt zu treffen. Als er schließlich stehen blieb und die Stimme erhob, war es, als würde Aragor ganz aus Stein bestehen, so starr stand er da.

'Kapitän Aragor vom Handelshaus Grüntal zu Alinos!' Die Stimme des Fremden war überraschend laut und stark, er war es anscheinend gewohnt, vor großen Mengen zu sprechen.
'Ich teile euch hiermit mit, dass der so genannte Alinosische Städtebund im Herbst des letzten Jahres durch ihre Magnifizenz Tragos II. zerschlagen wurde. Die Handelshäuser Gänseklamm, Braunsichel und Altresen wurden aufgelöst. Den übrigen Aufrührern wurde durch die glorreiche Gnade des Kaisers vergeben und ihnen wurde erlaubt, ihren Platz im Nekanischen Imperium wieder einzunehmen, zum Wohle des Volkes. Ich, Sterinos Sarnui, Priester des Destrutep, bin entsandt worden, um hier in Condra die Fortschritte der neuen Kolonie zu begutachten, und um von euch, Aragor, den Treueschwur zu empfangen.'

Damals verstand ich nicht was sich vor meinen Augen abspielte, als Aragor auf die Knie fiel, um den Knauf des Schwertes zu küssen, den ihm der Priester entgegenhielt. Heute wünschte ich, wir hätten uns damals gewehrt, als die Priester und die Armee Nekas von Bord gingen. Wir hätten sie wieder ins Meer stoßen sollen und zusehen, wie sie in ihren schweren Rüstungen jämmerlich ertrunken wären. Aber wir taten es nicht. Wir hießen die Fremden willkommen.